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Uri Bülbül | Das Ästhetikum
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Auf der Suche nach einem Mittel der (Selbst)Wahrnehmung...
Dem Fluss ist es egal, wo man in ihn hineinspringt oder wo man
ihn zu überqueren versucht... und da alles fließt, schwimmen einem schon mal die Felle weg... ich bin zur ständigen Vertretung der Romantik in der Realität geworden, jemand auf verlorenem Posten... ich - nur Narr, nur Dichter! Ich manchmal mit Sehnsucht nach der Autorität des Magiers ausgestattet mit den Insignien seiner spirituellen Macht...
Was ich hier zu sagen habe, ist nichts über das Tarot an sich.
Ich bin kein Magier, kein Mystiker, keine Autorität der Spiritualität, weder erleuchtet noch sonstwie von prophetischer Weisheit gestreift. Ich bleibe bei meinem (Selbst)Bild des Narren.
Ich habe mich auch nicht lange dem Studium des Tarot gewidmet, nicht den Legesystemen und ihren Deutungen. Ich suche etwas Klarheit über mich und die Welt, etwas Weitsicht im Komparativ ("ein bisschen weiter sehen als vorher") und Einsicht in das Leben, ich begehre vor dem Gesetz Einlass als der Mann vom Lande, vielleicht etwas leichtfüßiger als jener und womöglich auch leichtsinniger als Narr von den Bergen mit meinem Hundefreund und Seelengefährten. So kam ich zur Kynosophie. Auch sie ist noch auszugestalten und in Worte zu kleiden. Doch bleibt irgendwo auch die Goetheanische Erkenntnis auf der Strecke, die Schopenhauer in seiner Schrift "Über Schriftstellerei" zitiert, dass die Sprache, sagen wir: der Text, der Tod des Gedankens sei. Im Ausgesprochenen verfälscht er sich und versteinert, wird zu einem fossilen Urzeitfisch.
Aber ist das nicht zugleich die Sehnsucht nach dem Ewigen, dem Bleibenden, nach dem Augenblick, den man bittet, zu verweilen, weil er so schön ist?
Erkenntnis erleben, weil es schön ist, sie zu erleben, Lust an ihr zu empfinden, auch wenn in der Versteinerung im Text, sie verflossen ist wie ein Regentropfen zwischen trockenen Steinen, ist eine Freude. Mystik kann nur sein, mit der Sehnsucht auf der Suche zu sein nach den Geheimnissen des Lebens, und ist die Sehnsucht groß genug, erscheinen die Geheimnisse, wenn sie als kurze Erkenntnis erlebbar werden, wie Wunder! Wunder sind die Kehrseite der Geheimnisse. Sie lassen sich nicht in Worte gefasst und begriffen abgegriffen mitteilen wie ein See auch nicht in die hohle Hand passt und das Wasser schnell verrinnt, nur ein Gefühl und etwas Geschmack hinterlassend.
Was ich hier zu sagen habe, ist die Beschreibung meiner erfahrenen Suche Verständnis und Selbstverständnis.
Eine Möglichkeit der Autohermeneutik - die Kunst des Sichselbstverstehens, der Selbstverständigung. Dabei bin ich weit vom Solipsismus entfernt, erst recht, wenn der Solipsismus sich interessenorientiert und auf Vorteile für sich selbst gerichtet als Narzissmus oder Egoismus manifestiert. Wir sind durchzogen von Welt, wenn wir die Welt durchstreifen. Adorno/Horkheimer sprechen von der "Naturverfallenheit des Menschen" als des rechten Sohns morderner Zivilisation in der Dialektik der Aufklärung. Dies deute ich als ein Abgefallensein von den natürlichen Zusammenhängen des Innen und Außen. Diese nicht mehr sehen, spüren und erkennen können, was dahin führt, dass man sich alleine in der Welt fühlt - so alleine, dass nichts anderes mehr als sicher gegeben scheint als man selbst. Wer in dieser Kultur geboren und aufgewachsen ist, wird es schwer haben, die dunkle Hülle durchbrechen zu wollen und aus dem Ei zu schlüpfen und die Eierschalen hinter sich zu lassen, um in das Leben einzutreten, in dem es eigentlich ist, wie ein Küken vor dem Ausschlüpfen ja auch in der Welt ist, auch wenn es diese Welt von Eischale umhüllt, nicht zu erkennen vermag. Ich aber, ich begehre als ein solches Küken, Einlass in das Gesetz, in das Leben, dessen Gesetz nicht die gesellschaftlichen, kulturellen, sozialen, ökonomischen, all die menschengemachten Normen sind. Darin bin ich wohl ein Mystiker - nicht, weil ich erkannt habe (diejenigen, die vorgeben, erkannt zu haben, sind eher Esoteriker oder Magier, die Stab, Buch in Händen halten, an einem Tisch stehen und von Rosen umrankt sich positionieren können). Ich bin ein Mystiker, weil ich Einlass in das Gesetz und den Bruch der Eierschale begehre, die mich ins Dunkel hüllt!! Darin könnte ich auch ein Platoniker sein, der aus der Höhle will. Aber in meinem Gleichnis gibt es kein Zurück in das Ei. Und es geht auch nicht darum, nachdem man die Sonne geschaut hat, mit dieser Erkenntnis zurück in die Höhle zu gehen, um anderen vom Aufstieg und dem wahren Licht zu erzählen, vielmehr geht es um eine existenzielle Transformation, um eine Metamorphose zu einer neuen Lebensform. Eben zu einer Lebensform außerhalb des Eis.
Was ich zu sagen versuche, und was hoffentlich offenkundig wird, ist eine alte Erkenntnis über das Denken
Das Denken vollzieht sich nicht allein in Begriffen und logisch argumentativen Schritten, es vollzieht sich auch im Bild- und Gleichnishaften und, seit ich Diego Li kenne und mich der Kynosophie zugewandt habe, kann ich auch sagen im nonverbalen Bereich des Körperlichen, durch Bewegung, Stimmung, Musikalität, Geruch, Geschmack - kurzum in Bereich des Synästhetischen. Damit erst begreife ich, die von mir oft zitierte Forderung von Antonin Artaud im "Theater der Grausamkeit", man müsse hinter den Zeichen das Leben berühren. Im unterschied zur Malerei oder zum Film, zur Fotografie oder Literatur, bildet das Theater einen ganz körperlichen, einen sinnlichen Erfahrungs- und Mitteilungsraum. Darüber als einen Anlass zum kulturellen Paradigmenwechsel möchte ich in den Vollmondtalks mit anderen Menschen kommunizieren.
Das Tarot liefert ein alt tradiertes Bildersystem zum (um Gleichnis zu bleiben) Gesetz, zum Logos, zum Elan Vital, zum Universum... der Ausdrücke kann es viele geben. Ich suche nicht die Metaphysik dahinter, möchte keine Aussagen über das Transzendente machen, mir geht es um die hermeneutische Spiegelung an den gezogenen Karten, die ich individuell und für mich und nicht nach einem Legesystem deute, wobei ich die allgemeine Bedeutung der Einzelkarten als Ausgangspunkt und Grundlage für die eigene Interpretation nehme. Die Korrelationen zu meinem Leben ergeben sich, warum auch immer, selten habe ich das Gefühl, dass eine Karte gar nicht passt und mir nichts zu sagen hat, aber es ist eben ein Gefühl - mein Gefühl! Warum aber sollte ich der Subjektivität völlig abschwören und die Verschränkung zwischen Innen und Außen leugnen? Nur um dem Positivismus zu huldigen?
Da regt sich in mir Widerstand. Es ist der Widerstand des Dialektikers der Aufklärung in der ständigen Vertretung der Romantik in der Diaspora des Positivismus.
Gedankenstriche 1-12
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Uri Bülbül freier Literat und Philosoph Waterloostraße 18 45472 Mülheim a.d. Ruhr
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