Ich fange
mal mit mir selbst an:
Die Einträge, in denen ich mich auf Natur beziehe, wirken eher metaphorisch. Jahreszeiten
oder Wetter oder Pflanzen stehen für Stimmungen, Gefühle. Ein Apfelbaum und wie ich
seinen Ertrag steigern könnte, hat mich nicht wirklich interessiert oder anders und
zutreffender gesagt: es hat mich nie wirklich gedanklich beschäftigt. Mein Intellekt
war und ist es vielleicht noch: anderen Dingen zugewandt. Beim Laub Zusammenrächen auf
der Wiese ging mir die Frage durch den Kopf, wie Leo N. Tolstois Wendung zur Natur und
zum "einfachen Leben auf dem Land" mir verständlich werden könnte. Der Geruch der
Wiese, die Kälte der Luft, in der man arbeitet und schwitzt? Das Betrachten der
umgegrabenen Erde? Die Frage, wann ich Kartoffeln säen muss? Oder ob ich Tomatenpflanzen
selbst ziehen kann, bevor ich sie in den Garten einpflanze? Und ob diese
aus Kernen von Supermarktstomaten selbstgezogenen Pflanzen überhaupt noch einmal
Früchte tragen können? Und immer wieder frage ich mich, ob diese beispielsweise
für Salomé völlig belanglosen und langweiligen Fragen, die auch mich mit vierzehn Jahren
und bis vor kurzem herzlich wenig interessierten, ein Zeichen des Alters sind?
Gibt es notwendigerweise eine Reife, die man erst erreichen muss, um sich der
Erde zuzuwenden? Wenn es so wäre, dürfte es keine jungen Menschen geben, die gerne
Gärtner oder Bauern sein wollten. Und ich kann mich bei meinen Spekulationen auch
nicht damit begnügen zu konstatieren, dass es eben unterschiedliche Menschen mit
unterschiedlichen Interessen gibt. Denn schließlich stelle ich einen Wandel bei mir
fest, so dass es sich nicht um statische Typendarstellung handeln kann.
Eine alte, verflossene Freundin bezeichnete mich in einem Gespräch als ein
Kopfmonster und meinte dies keineswegs abwertend oder beleidigend. Ganz im
Gegenteil stellte sie sich so etwas vor wie einen Hulk der Literatur und Philosophie.
Sie wollte sich natürlich selbst dadurch ein bißchen überhöhen und ihre eigene
Intellektualität mit einer wunderbaren Aura umgeben. Da ihr Rationalismus mir schon
seit einer ziemlich langen Zeit auf die Nerven geht und sie über kluges Daherschwätzen
unverdauter und unreflektierter Aussagen nicht hinauskommt, platzte mir der Kragen
über so viel Einbildung. Sie phraseologisiert, argumentiert und schlussfolgert
ohne jegliches Mitgefühl und Empathie, hat stets immer ein Sätzchen parat und ein
Wissen, das ihre Altklugheit mittlerweile ins Alberne treibt und sie selbst in eine
wachsende Einsamkeit. Und ich konnte nicht mehr an mich halten, fand aber natürlich
mit meinen im Affekt ihr an den Kopf geschleuderten Vorwürfen kein Verständnis.
Alles was ich gesagt habe, wird wohl sortiert gegen mich verwandt werden können oder
zumindest eine logische Widerlegung erfahren. In einem ganz anderen Zusammenhang konnte
sie mich mit dem Wittgensteinschen Satz «Ich lehre euch Unterschiede sehen» mundtot
machen. Ich war fürbass erstaunt, dies aus dem Munde eines Menschen zu hören, der
lieber denkt als schaut. Mich jedenfalls schmerzte es erneut nach langen
Jahren der Trennung
und Phasen glücklicher anderer Lieben nicht erkannt worden zu sein, nicht wahrgenommen,
sondern nur durch Schleier von Vorurteilen betrachtet.
Bilder halten uns fest, und wir schaffen es nicht, uns von ihnen zu lösen und ans
Leben vorzudringen, das Leben zu berühren, wie Jo Ziegler Antonin Artaud
in unserem Postdrama zitierte, sondern wir hangeln uns von Bild zu Bild
- gefangen im Fliegenglas unserer Vernunft :-(
So also können wir uns eine schmerzhafte Beule nach der anderen holen, indem wir an
unsere Grenzen stoßen, ohne das Leben berühren, geschweige denn begreifen zu
können. Oder aber eine Hinwendung probieren, die wir als eine Wendung in einem
völlig falschen Diskurs als eine «von der Kultur zur Natur» beschreiben. Aber schon
die winzigen Tomatenkeimlinge im Blumentopf im Textzentrum gemahnen, dass das Leben
nicht immer Natur ist und das suizidale Treiben der Technokratie Kultur.
Schon so eine Redewendung wie: man sei lange nicht in der Natur gewesen, wenn man
sagen möchte, dass man lange keinen Spaziergang mehr gemacht hat oder eine Wanderung
durch den Wald, zeigt, wie schief unsere Begriffe liegen. Wald und Wiesen, Seen und
Flüsse - nichts davon ist wirklich unberührte Natur. Fast überall haben wir es mit
Kultur zu tun, mit Eingriffen des Menschen in die Umwelt, begreifen das alles aber
nicht als Kultur, sondern nennen alles Natur, was lebendig ist oder Lebensraum
bietet. Kultur scheint dagegen so artifiziell zu sein, dass sie nicht lebendig mehr
sein kann. Theater, Film, Literatur, Bildende Künste, Computerspiele in virtuellen
Welten - sie alle scheinen das Kriterium nicht lebendig zu sein bestens zu erfüllen,
wobei man fairerweise das Theater auch als einen Grenzfall zwischen lebendiger und
nicht lebendiger Kunst betrachten könnte. Alles andere ist fossil: es zeugt von
vergangenem Leben, das in ihm enthalten ist; so der Film nicht anders als die
Literatur. Wir könnten eigentlich, wenn wir diese fossile Kultur meinen, die Spuren
von vergangenem Leben in sich enthält, auch Kunst nennen. Auch abstrakte
Malerei oder Bildhauerei ist Kunst, selbst wenn sie keine Spuren von vergangenem
Leben enthalten, wie Menschen und deren Geschichten. Denn Kunst wird nicht nur
in einer Perspektive und Argumentationslinie definiert, sondern unter unterschiedlichen
Aspekten. Das Selbstzweckhafte, das Fehlen eines unmittelbaren Gebrauchswertes
gehören schließlich ebenfalls zum Begriff der Kunst wie der Umstand, dass die
Rezeption eine lebendige Aktualisierung bewirkt.
Kultur aber ist mehr als Kunst; sie umfasst Religion und Sitten und Gebräuche
ebenso wie Mode, Politik und Wissenschaft. Manchmal wird so gesprochen, als wären
Wissenschaft und Kultur zwei unterschiedliche Systeme. Selbst wenn man wie C.P. Snow
von einer Zweikulturentheorie ausgeht, bleibt die Wissenschaft innerhalb des
Kulturbegriffes als eine seperate Kultur neben der Kultur der Geisteswissenschaften
und des Humanismus. Kultur ist allgemein ein Regelwerk für Handlungen, Sitten
und Gebräuche, die gehegt, gepflegt und tradiert werden. Und bei der Arbeit an dem
Buch Bedingung und Möglichkeit - Gespräche über Kulturalität kam ich auf den
Gedanken, dass wir in dem Meisten, was wir tun, die Dramaturgie der Selbstzerstörung
kultivieren. Deshalb würde ich gerne dieses Phänomen die suizidale Kultur nennen.
Ganz allgemein ist eine auf Zerstörung ausgerichtete Kultur zugleich eine suizidale, also
auf Selbstzerstörung ausgerichtete Kultur. Wenn ich in dem hiesigen Zusammenhang von
Suizid spreche, geht es mir nicht um eine individuelle Selbsttötung, sondern
um die selbstzerstörerische kulturelle Mentalität, die wir internalisiert haben, die uns
in Fleisch und Blut übergegangen ist, so dass wir unser Leben nichtsachtend für alles
Mögliche und Unmögliche zu opfern, zu zerstören und zu schädigen bereit sind. So haben
wir auch eine Kriegskultur entwickelt, die wie selbstverständlich ein Teil unserer
politischen Kultur ist, die uns vorgaukelt, dass Verteidigung durch Zerstörung keine
Selbstzerstörung bewirkt. Suizidal ist aber nicht nur unsere politische Moral,
sondern auch etwas, was ganz anders besetzt und strukturiert sein sollte, nämlich
unsere Arbeitsmoral. Kurz gesagt, was natürlich philosophisch lang ausgeführt werden
könnte und an anderer Stelle zum Beispiel in Bedingung und Möglichkeit getan
werden soll: wir leben, um zu arbeiten und arbeiten nicht, um zu leben. Diese
Umkehrung hat sich derart etabliert, dass wir mit boshaftestem Neid diejenigen
verfolgen, die keine Arbeit haben. Natürlich argumentieren wir, darauf angesprochen,
ein wenig anders: wir sagen, wir möchten nur nicht, dass andere auf unsere Kosten
leben. Aber das ist in der Regel nur ein Tritt nach unten. Viele Mächtige, die
auf Kosten sehr, sehr vieler Menschen leben, werden von uns eher bewundert als
verurteilt. Sie gelten als erfolgreich und stehen in der sozialen Hierarchie ganz weit
oben. Wir lassen nicht nur zu, dass andere auf unsere Kosten leben. Wir strengen uns
dafür sogar ganz besonders an. Auch darin schimmert das Suizidale durch.
Mit dem Arbeitsbegriff haben wir einen ganz wichtigen und elementaren Teil unseres
menschlichen Wesens pervertiert: denn Arbeit ist nicht Frondienst und Ausgebeutetwerden,
Arbeit ist die Quelle jeglicher Kreativität, Selbstbestätigung
und der menschlichen Entwicklung. Der Mensch bringt sich durch kreative Arbeit in
die Welt, schafft sich ein Gegenüber und findet sich darin wieder. Daher ist
Arbeit Menschenrecht!!! Ein Grundrecht, das in die Verfassung gehört, nicht aber
in dem pervertierten Sinne, dass jeder Mensch ein Recht auf einen Arbeitsplatz
bekommt, worin er Frondienste leisten kann. Das Recht auf Arbeit als Grundrecht
funktioniert nur, wenn sich der Arbeitsbegriff humanistisch wandelt. Dies kann
Gartenarbeit sein, Haus-, Brücken-, Straßenbau, Reinigung, Müllbeseitigung,
Krankheitsheilung, Bierbrauen, Winzern oder Skulpturen erschaffen. Nichts davon ist
unkreativ. Stumpfsinnig, öde, sinnentleert wird Arbeit erst - nicht einmal in der
Arbeitsteilung, wenn sie auf Einsicht beruhte, sondern im Frondienst. Erst wenn
Arbeitskraft nur gegen Geld inhaltsirrelevant verkauft wird. «Egal, was ich arbeite;
Hauptsache ich werde dafür (gut) bezahlt» zerstört den Arbeitsbegriff,
entmenschlicht und entfremdet den Menschen seinem Wesen und macht ihn zum Sklaven
oder Roboter. Dies allerdings kann einem hochbezahlten Chirurgen ebenso passieren
wie einem Kellner. Es drückt sich zum Beispiel an überflüssigen Operationen aus,
die durchgeführt werden, um auf eine bestimmte OP-Stundenzahl und damit Qualifikation
zu gelangen. Wie einem Roboter der Mensch egal ist, hat der Chirurg nur noch
seine Tätigkeit der Operation vor sich und kann den Menschen im Patienten nicht
wahrnehmen. Da ist ein lieblos auf den Tisch geknallter Bierkrug eines Kellners
harmloser als eine überflüssig durchgeführte Operation mit Komplikationen ;-)
Wenn wir uns aber erst nach Feirabend als ein zu sich gekommener Mensch fühlen,
und in der Arbeit nur ein Entfremdet- und Fremdbestimmtsein sehen können,
dann wird es höchste Zeit, die Verhältnisse, die das erzwingen, zu ändern. Arbeit ist
gewiss anstrengend und erfordert Kraft, Hingabe, Konzentration usw. Es gibt eine
Anthropologie, die uns weißmachen will, dass der Mensch von Natur aus faul sei und
nicht gerne arbeite. In Tat und Wahrheit aber scheut der Mensch nicht per se Anstrengung.
Das sieht man bei Sport, bei Wanderungen und vielen anderen unterschiedlichen
Freizeitbeschäftigungen. Was der Mensch nicht mag, ist die Fremdbestimmung, und
dieser versucht er sich mit allen, und nicht immer mit den sinnvollsten Mitteln,
zu entziehen. Fatal ist die Gleichsetzung der Arbeit mit Fremdbestimmung.
Gegen den Freiheitswillen des Menschen aber hat sich eine Kultur mit einer entsprechenden
Ideologie des Zwangs entwickelt, der den vielbeschworenen
Tritt in den Hintern fordert, damit sich der Mensch bewege und aktiv werde. Dabei
ist Aktivität im Wesen des Menschen so verankert wie der Flug im Wesen eines Vogels.
Erst wenn der Mensch in einer entfremdeten und entfremdenden Umwelt und Kultur lebt,
entwickelt er Gegenstrategien des Entzugs und sucht Ausflüchte und Ausweichmöglichkeiten,
die er zum Teil in der gegen die Entfremdungskultur gesetzten kultivierten Faulheit
findet. Umso heuchlerischer und niederträchtiger ist es, anstatt diese Menschen
in ihrer Suche nach Freiheit in einer angeblich freiheitlichen und Freiheit liebenden
Gesellschaft zu unterstützen und ihnen kreative Räume zu schaffen, sie unter dem Motto
«Fodern und Fördern» erneut der Arbeitssklaverei im Billiglohnsektor zuführt.
Die sogenannten Faulen werden zu Asozialen stigmatisiert, kriminalisiert und in die
Drogenkultur oder zurück in die Sklaverei gedrängt.
Dabei spielt der Alkohol als «Volksdroge» eine Hauptrolle. Ausweg- und Machtlosigkeit,
eine zwanghaft notwendig werdende Entspannungssucht, um in der Freizeit nicht
über das eigene Leben nachdenken zu müssen, führen zur suizidalen Kultur des
Drogenkonsums, die in dem allgemein bekanntgewordenen Ausdruck Komasaufen
ihren deutlichsten Niederschlag gefunden hat. Demgegenüber könnten Arbeit und
Kreativität wieder zusammen zu führen, Demokratie als erlebbare Selbstbestimmung
zu realisieren,
für gerechte Löhne und eine gerechte Verteilung der ökonomischen und ökologischen
Ressourcen zu sorgen und zwar weltweit! - den Konsumismus mit Billigwaren aus besonders
ausgebeuteten Ländern und Regionen zu stoppen, für eine Kultur stehen, die
man mit einem alten Kirchentagsmotto «Eine Kultur der Umkehr zum Leben» bezeichnen
könnte.
Demokratie erlebbar machen, scheint aber mittlerweile im Interesse keiner einzigen
Partei zu sein, die um die Gunst der Wähler und um ihre Stimmen buhlt. Statt dessen
haben sich politische Manieren etabliert, Verhaltensregeln, die der Technokratie
dienen, Spielregeln, wenn jemand politisch aktiv werden und sich in einer Partei
engagieren will, mittlerweile hat sich, um es kurz zu sagen: eine Berfusgruppe wie
eine Kaste der Politiker gebildet. Genau das aber ist in einer Demokratie
nicht vorgesehen - nicht in einer ideellen und nicht in einer durch die Verfassung oder
das Grundgesetz konstituierten Bundesrepublik. Das aktive und passive Wahlrecht
steht allen Bürgern zu. Aber es gehört zu einem selbstverständlich gewordenen Diskurs,
Politiker als eine besondere Berufsgruppe zu betrachten. Dabei muss jeder
Handwerker tausendmal mehr lernen, um seiner Berufsgruppe zugehören zu können, als
ein Mensch, der sich als Politiker bezeichnet. Politische Bildung und demokratisches
Rüstzeug für ein aktives und organisiertes Enagement werden immer weniger vermittelt
und reflektiert. Eigenschaften wie Verbandsschläue und Profilierungsgehabe reichen
schon aus, um parteipolitisch weiter zu kommen. Jeder, der der Phrasendrescherei des
Mainstreams seiner Partei, was von oben generiert wird, nicht folgt, wird als
Querulant und bestenfalls vielleicht als Querdenker auffällig und stigmatisiert.
Anstat dass Parteien bei der «Willensbildung des Volkes» mitwirken,
überlassen sie ihre Imagepflege
Werbeagenturen, die sie und ihre Kandidaten so inszenieren und verkaufen wie Waschmittel,
Deodorants, Schauspieler oder Kaugummis. Das Schlimmste aber ist, dass
die Menschen ihr Gefühl für
die Unsäglichkeit ihres Treibens verloren haben. Sie sind von einem Schamgefühl weit
entfernt und fühlen sich nicht annähernd nackt bei dem, was sie Politik nennen.
Das kommende Wahljahr wird in einer besonders ekelerregenden Weise zeigen, wie es
um die bundesrepublikanische Demokratie bestellt ist. Eine Koalition der Vernunft
kann es allein schon deswegen nicht geben, weil Vernunft ein Spielzeug ist,
das von allen für sich und ihre eigenen Machenschaften in Anspruch genommen wird.
Wenn alle ein Gefühl, eine Intuition für den Moment des Innehaltens und Insichgehens
hätten, wäre viel, viel mehr gewonnen. Denn dieses Gefühl wäre individuell und
nicht prinzipiell für alle im gleichen Augeblick gültig. Und es könnte die gesamte
Atmosphäre beeinflussen. Genau daran wird es aber mangeln; und die SPD hat schon
eine gehörige Portion vorarbeit mit ihrem Kanzlerkandidaten geleistet und
jemanden gekürt, dem alles andere näher ist als ein soziales oder politisches
Schamgefühl. Eine bis zur Debilität glückselig lächelnde Gegenkandidatin und ein
vollkommen bedeutungsloser und furchtbarer Phrasendrescher und Schwätzer als Vizekanzler,
der aus politischen Winkelzügen heraus sein Amt bis zuletzt bekleiden durfte,
machen ebensowenig das Gegengewicht aus wie eine protestantisch frömmelnde
Aussitzerin und ein moralinsauer schwäbelnder Nichtssager mit «Migrationshintergrund».
Ein rhetorisch gewievter und politikamtserfahrener Volkstribun wie Jürgen Trittin
hätte das Format zu einem Bundeskanzler einer Heuchlerrepublik, an dem man sich
als Oppositioneller wenigstens kritisch abarbeiten könnte. Katrin Göring-Eckardt,
Cem Özdemir, Peer Steinbrück, Angela Merkel, Guido Westerwelle, Philipp Rösler
karikieren die politische Rationalität einer Republik, die demokratisch sein will,
aber außer mit Verbotsverfahren und staatlichen Verstrickungen in die Szene durch
Informanten und V-Leute, mit Aktenvernichtungen beim Verfassungsschutz, um ihre
Untaten und Unfähigkeit zu vertuschen gegen die Feinde der Demokratie und des Humanismus
nichts anzustellen weiß. Diese Leute sind allesamt ein Fall für die heute show.
Mehr als der Satire bedarf es nicht, um sie kritisch bloß zu stellen.
Politische, ökonomische, soziale Kultur der Berliner Republik sind mehr als marode.
Die Medienkultur ist mit dem Wort marode überhaupt nicht zu beschreiben; es
ist ein Sumpf von Verstrickungen zwischen Geld, Macht, Information und Manipulation.
Die Kunstkultur mit Theatern, Literatur, Kinos, Filmproduktionen, Museen, Galerien,
Auktionen, Festivals überholt sich immer wieder selbst in einem bunten kontingenten
Wirbel. Darin wird jeder zur Bestätigung seiner Ansicht ein Fallbeispiel finden
können. Die Wissenschaftskultur hat ihren Zwiespalt zwischen gesellschaftlichen,
geistes- und sprach, und medienwissenschaftlichen Disziplinen auf der einen
und der naturwissenschaftlich-technischen auf der anderen Seite nie überwinden können.
Vor die Hunde geht oder ging dabei der kritische Geist. Mit der totalen Verschulung
der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, mit B.A. und Masterstudiengängen,
Creditpointsystemen etc. wurde der kritische Geist zur Schlachtbank geführt, und
opportune Wissenschaftler haben für jede Stelle, die sie für sich herauszuschlagen
hofften, immer ihr Fach und die Vernunft verraten. Es ist nur die Spitze des Eisberges,
wenn nun die ersten Dissertationen als Plagiate entlarvt werden.
So ekel, schal und flach die Welt auch sein mag, um es in Hamlets Worten zu sagen ;-)
Genau dieselbe suizidale Konsequenz hätte der daraus gefolgerte Zweifel. Wenn ich
mich ins Gartenhaus zurückziehe, denke ich nicht über «Sein oder Nicht-Sein» nach wie
der dänische Prinz, sondern versuche eine Vision von kulturellem Paradigmenwechsel zu
erhaschen, die mich aus dem Suiziddiskurs zum Leben zurück führt - zu etwas,
was ich nie zu kultivieren gelernt habe als Kind dieser Gesellschaft.
Ist dieser Paradigmenwechsel eine antirationalistische Reifefrage?