20. Juni 2006
Aus dem Bauch der Sphinx
Uri Bülbül liest literarische, essayistische und
philosophische Texte aus seinem Hypertext-Projekt ZERFAHRENHEIT - Verlinkte
Fragmente.
Er arbeitet sich durch Fragen der Erkenntnis und Selbst-Erkenntnis
in Phasen der Amnesie und sucht einen roten Faden durch das Rhizomlabyrinth
unbenutzter Gedankengänge zu legen. Akademisch gewitzigt ohne Verdummung
im dialektischen Ringen mit der Kulturindustrie.
Lesung im TextZentrum Essen
Girardet Haus
Beginn: 8. Juni 2006; 20.00 Uhr
Eintritt: 7€/ ermäßigt 5€
Die Lesung am 8. Juni war ein sehr schönes Erlebnis für
mich. Der Musiker und Leiter des Katakomben-Theaters
Kazim Calisgan, mit dem mich eine über lange Jahre gehende künstlerische
Freundschaft verbindet, begleitete mich mit seiner Cura, einem dreisaitigen
Zupfinstrument wie eine Saz in Miniausgabe und zehn weitere Bekannte und
Freunde hörten den Ausführungen "aus dem Bauch der Sphinx" zu.
Insgesamt wurde ein Programm von zwei Stunden inklusive einer zwanzigminütigen
Pause bestritten. Und an manchen Stellen kam ich auch an die Grenzen meiner
Kräfte, ohne daß mir das während der Lesung so richtig
bewußt wurde. Philosophisch-essayistische Texte vorzutragen, die
zum Teil einen reinen Dialogcharakter haben, ist nicht ganz einfach. Unterm
Strich aber kam alles ganz gut rüber und bei meinem Publikum an.
"Aus dem Bauch der Sphinx" war in den Flugblättern des Kulturbüros
Essen "Literatur in Essen" angekündigt. Aber an dem Sommerabend mit
wunderschönem Wetter kamen tatsächlich nur Menschen, die sich
freundschaftlich mit mir verbunden fühlten - bis auf zwei Ausnahmen,
die tatsächlich das rein literarische Interesse ohne persönliche
Bekanntschaft zur Lesung trieb. Zu meiner großen Freude kam auch
von ihnen eine positive Rückmeldung. Einen größeren Erfolg
kann ich von meiner Lesung kaum erwarten. Davon ermutigt, habe ich angekündigt
jeden ersten Donnerstag im Monat zu lesen. Unter unterschiedlichsten Titeln
schwebte mir schon lange vor, Lesungen zu institutionalisieren und in eine
thematische Reihe zu bringen. Unter anderem war ein Titel, der mir auch
im Zusammenhang mit einer Veranstaltungsreihe im Schreibhaus
vorschwebte, "Auditorium Minimum". Die Universitäten haben ihre großen
Veranstaltungs- und Hörsäle, die sie "Auditorium Maximum" oder
abgekürzt, wie vieles an der Uni "Audimax" nennen. Diesem Massenhörraum
wollte ich etwas entgegensetzen: klein, fein und konzentriert - eben das
Auditorium Minimum. Natürlich sollte das etwas Auserlesenes an sich
haben aber auch Überschaubares und Persönliches. In meinem Umkreis
kam der Titel eigentlich ganz gut an. Aber die Veranstaltungsreihe im Schreibhaus
kam irgendwie nicht zustande. Denn das Auditorium Minimum verlangte schon
der Idee nach eine gute inhaltliche Vorbereitung, was ich leider neben
der vielen organisatorischen und werbepublizistischen Tätigkeit nicht
leisten konnte. Für das eigentlich literarische Schreiben bleibt mir
immer sehr wenig Zeit übrig. Dabei bräuchte es gar nicht so viel
Zeit: fünfzehn Stunden pro Woche müßten vollauf genügen,
um meine literarischen Projekte entscheidend voranzubringen. Aber so viel
Zeit kann ich für das literarische Schreiben nicht erübrigen.
Das liegt nicht allein an den Stunden. Die Sache ist nicht nur quantitativ
zu betrachten. Es fehlt oft der Kontext der Muße, der um die fünzehn
Stunden herumgestrickt sein müßte. Man kann nicht aus dem hektischen
Hinundher des Alltags und des Gebrauchstexteschreibens heraustreten und
sofort die Ruhe zum Verfassen literarischer oder philosophischer Texte
finden.
Ich will nicht allzu romantisch die literarische, genialische oder
lyrische Gestimmtheit betonen. Tatsache aber ist, daß ein gewisser
Lebens- und Arbeitsrhythmus die Voraussetzung für das literarische
Schreiben bildet. Man kann nicht heute Reportagen und Gebrauchstexte anderer
Art und plötzlich morgen einen Romanabschnitt schreiben. Daran krankt
meine Literaturproduktion und kommt immer wieder ins Stocken. Andererseits
muß ich auch zugeben, daß es nicht einfach alltagswidrige Umstände
sind, die mich vom Schreiben literarischer Texte abhalten. Ganz im Gegenteil:
andere Menschen schreiben unter widrigeren Umständen. Mir steht meine
eigene Zerstreutheit im Weg. Ich produziere gerne Gebrauchstexte für
unseren Verein, für die Öffentlichkeitsarbeit des Katakombentheaters,
für meine Kulturzeitung KULTURPROGRAMM
usw. usf. Der Preis, den ich dafür bezahle ist hoch: meine literarische
Arbeit kommt immer wieder über längere Phasen ins Stocken. Meine
Lesung am 8. Juni allerdings hat mich nun wieder etwas wachgerüttelt.
Das Versprechen, einmal im Monat eine literarisch-philosophische Lesung
mit essayistischen und belletristischen Texten abzuhalten, ist gegeben.
Der Schalk sitzt mir im Nacken und sagt: Nenn doch bitte deine Lesung am
Donnerstag, den 6. Juli 2006 um 20.00 Uhr im Textzentrum-Essen
"Aus dem Bauch der Sphinx II - Die Wiederkehr" :-)
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